In seinem Buch "Die Leichtigkeitslüge. Über Musik, Medien und Komplexität" kritisiert Holger Noltze die "furchtbaren" Vermittler von Musik. "musik heute" hatte die Gelegenheit, dem Autoren ein paar Fragen zu stellen. (Unsere Rezension finden Sie hier)
musik heute: Wer kann Ihre hohen Ansprüche an Musikvermittlung erfüllen?
Holger Noltze: Da ziehe ich als Beispiel immer den guten alten Leonard Bernstein aus der Tasche. Es ist beeindruckend, wie der Mann spricht, wie er erklärt. Er drückt sich nicht vor der Musik, indem er nur das Leben der großen Komponisten erzählt. Nach dem Motto: "Jetzt haben wir das Leben verstanden, der Beethoven war taub und traurig und deshalb hat er so tolle Musik geschrieben."
Stattdessen geht Bernstein in die Musik rein. Er sagt: "So ist die 5. Sinfonie wie wir sie kennen". Dann spielt er anhand von Skizzenblättern vor, wie es sonst gewesen wäre. Und auf einmal kapieren die Zuhörer etwas darüber, was die Qualität und Eigenart dieser Musik ausmacht. Bernstein hat also wirklich sehr gute Musikvermittlung gemacht, was natürlich auch an der charismatischen Persönlichkeit lag. Sicher gibt es auch gute Beispiele in der Gegenwart. Ich treffe nur leider immer welche, wo ich denke: 'Ach nee, so muss es doch eigentlich nicht sein.'
musik heute: Was halten Sie von den unterhaltsamen Opern-Beschreibungen in Loriots "Opernführer"?
Holger Noltze: Der Anspruch ist ein anderer. Bei Loriot war es halt wirklich Unterhaltung und wollte nur das sein. Und das Tolle an Loriot ist, dass er diesen ganzen Bildungshintergrund hat und sich über das eigene Bildungsbürgertum auch so wunderbar lustig macht. Das ist, glaube ich, etwas, das bei anderen nicht drin ist. Diese Art von Selbstironie, Distanz zum eigenen Tun.
musik heute: Was und wen wollen Sie mit Ihren Büchern erreichen?
Holger Noltze: Ich habe ein inhaltliches Interesse. Vielleicht bin ich auf dem Holzweg, das ist ja auch möglich. Aber es hat mir noch keiner gesagt, dass es eine irrelevante Fragestellung sei. Ich finde, dass das eine wichtige Diskussion ist, ohne dass ich jetzt mit der Tafel "wichtig – wichtig!" durch die Gegend laufe. Ich glaube, da sind wir an einem Nerv-Punkt. Und die, die genervt darauf reagieren, sind natürlich schon mit einprogrammiert. Die sollen sich auch genervt fühlen!
(Die Fragen stellte Wieland Aschinger.)