München (MH) – Die Bayerische Staatsoper ist zurück aus der pandemiebedingten Ruhe und seit dem ovationenreichen Mittwochabend auch wieder im Reich der schönen Stimmen im Verdi-Fach. Gewissermaßen als Kracher zum Auftakt einer "Traviata"-Serie hatte man Plácido Domingo für die Rolle des Giorgio Germont gewonnen und um ihn herum ein würdiges Abendensemble gebaut. Liparit Avetisyan ist ein Alfredo optisch und stimmlich wie aus dem traditionellen Besetzungsbuch, mit makellosem Tenorklang und Schmelz für Verdis Streicherphrasen.
Ailyn Pérez ist anfangs als Violetta mehr Diva als Leidende, mit großem dramatischem Stimmvolumen und der Angewohnheit, wie zur Selbstmotivation und Visualisierung vor perlenden Höhen die Hand nach oben zu recken. Auf die Dauer verliert die Darstellung dadurch an Glaubwürdigkeit. Zunehmend aber kann sie ab dem zweiten Akt ihre Innigkeit und ihre Pianokunst kultivieren.
Und der Star des Abends? Mit seiner unverwechselbaren Stimme, seiner kaum von anderen erreichten Färbungs- und Phrasierungskunst gestaltet Domingo im zweiten Akt die Duette mit Violetta und dann seinem Bühnensohn Alfredo zu erschütternden Psychogrammen, die in ihrer Dichte und Unmittelbarkeit dem Publikum den Atem stocken lässt. Soll man erwähnen, dass Wikipedia das Geburtsjahr 1941 nennt? Unglaublich, wie eine Künstlerpersönlichkeit die Atmosphäre im Saal prägt – wenn sie Domingo heißt. Keri-Lynn Wilson leitete das Bayerische Staatsorchester sängerfreundlich, umsichtig und detail- und klangbegeistert. Ein erhebender, minutenlang umjubelter Abend.
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(mk/wa)
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