(Korrespondentenbericht)
Stuttgart – Freundlich, aber ohne große Euphorie haben Musikfreunde das aus der umstrittenen Fusion entstandene neue Symphonieorchester des Südwestrundfunks (SWR) aufgenommen. Schon kurz vor der Premiere des Klangkörpers in der Stuttgarter Liederhalle machte der ungarische Komponist und Dirigent Péter Eötvös klar, dass – bei dieser "Melange" von zwei Klangkulturen – nicht etwas "ganz Neues" zu erwarten sei. Trotzdem waren die Erwartungen am Donnerstag groß, wie die Musiker des einst wegen seines hellen Klangs geschätzten Freiburger Orchesters zu dem samtigen Klang der Stuttgarter passen. Die Reaktionen auf das auch live im Internet und versetzt im Fernsehen übertragene Musikereignis waren ganz gemischt.
Nur etwa 90 des nun mit mehr als 175 Mitgliedern größten Konzertorchesters Deutschlands fanden auf der Bühne im Beethovensaal Platz. Werke von Béla Bartók, Gustav Mahler und der anwesenden finnischen Komponistin Kaija Saariaho sowie von Eötvös selbst standen auf dem Eröffnungsprogramm. Und wer von den Freiburger und Stuttgarter Musikern nicht bei der Premiere aufspielte, durfte zumindest als Gast im Publikum sitzen.
Einen Chefdirigenten gibt es nicht – zumindest vorerst. Und so übernahm Eötvös die Führung durch den Abend, an dem vor allem die leidenschaftliche und barfuß spielende Geigerin Patricia Kopatchinskaja Begeisterung auslöste – mit dem Violinkonzert "DoReMi" von Eötvös. Die 39-jährige Österreicherin liebt das Experimentelle, Teuflische, Poetische und Folkloristische in der Musik des Ungarn.
Manche Zuhörer kritisierten erneut, dass die Fusion der beiden großen SWR-Rundfunkorchester nach 70 Jahren Eigenständigkeit eine "Tragödie" sei. Einer nennt das Orchester Schwabenrunde – da schwingt Ärger mit, weil der Hauptsitz des neuen Klangkörpers Stuttgart ist – und nicht die badische Kulturstadt Freiburg, wo das Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (SO) seine Heimat hatte.
Bei manchem Gast in der zwar klangtüchtigen, aber in die Jahre gekommenen und ohnehin für alles Mögliche genutzten Liederhalle war der alte Wunsch nach einem eigenen Konzertsaal zu hören. Doch das dürfte in Anbetracht der Gründe für die Orchesterfusion Wunschdenken bleiben. Immerhin ist die Zusammenlegung wegen Sparzwängen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschlossen. Wenn die Fusion in spätestens zehn Jahren ihr Ziel erreicht hat, sollen 119 Mitglieder übrig bleiben. Fünf Millionen Euro pro Jahr soll das einsparen.
Das Programm am Donnerstagabend in Stuttgart, das an diesem Samstag in Freiburg wiederholt wird, sollte aber auch zeigen, wofür der SWR steht – für seine international bedeutende Position in der musikalischen Avantgarde. Der Sender will sich zudem weiter an Veranstaltungen von Weltruf beteiligen – wie an den Donaueschinger Musiktagen für Neue Musik und den Schwetzinger Festspielen. Und immer wieder hatte der SWR auch betont, dass er weiterhin so viele Klangkörper wie keine andere ARD-Anstalt habe. Erhalten bleiben demnach etwa das SWR Vokalensemble, die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, die SWR Big Band und das Experimentalstudio des SWR in Freiburg.
(Von Ulf Mauder, dpa/MH)
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Link:
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