Eine neue internationale Musikmesse wird Ende Mai aus der Taufe gehoben. In München will sie Vertreter der verschiedenen Formen der klassischen Musik zusammenbringen. Alte Musik trifft auf zeitgenössische und traditionelle auf experimentelle. Mit Ausstellungen, Konferenzen und Showcases spricht die Messe alle Aktiven an, von Musikern und Veranstaltern bis zu Institutionen und Verbänden. Organisiert wird "Classical:NEXT" von dem Berliner Unternehmen piranha WOMEX, das auch die World Music Expo veranstaltet, die größte internationale Messe für Weltmusik.
Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin musik heute erläuterte Projektleiterin Jennifer Dautermann die Entstehung der Messe und ihre Ziele.
musik heute: Musikmessen gibt es schon einige. Warum bekommt ausgerechnet die Musik, die schon am längsten gespielt wird, als letzte eine eigene Messe?
Jennifer Dautermann: Das ist eine gute Frage. Die Klassik-Szene ist zwar etabliert, aber sie ist gespalten. Die verschiedenen Bereiche und Epochen haben seit langem ihre eigenen Treffen, aber sie kommen nicht zusammen. Das ist es, was wir ändern wollen. Ein Treffen, das alle unter ein Dach bringt, existiert einfach noch nicht. Es gab zwar ein paar Versuche in der Vergangenheit, aber die waren nicht erfolgreich.
musik heute: Wer hatte dann die Idee für "Classical:NEXT"?
Jennifer Dautermann: Die Initiative kam von CLASS, dem Verband unabhängiger Labels in Deutschland. Die sind zu uns gekommen und haben gesagt: "Es ist höchste Zeit." Wir fanden die Idee großartig. Sobald wir mit den Vorbereitungen anfingen, erhielten wir schon eine Menge positive Resonanz in der Szene. Ich glaube, die Leute von CLASS haben recht gehabt.
musik heute: An wen richtet sich die Messe?
Jennifer Dautermann: Wir sprechen die gesamte Musikbranche an und wollen alle ihre Vertreter zu uns bringen. Wir bekommen auch von allen gutes Feedback. Es braucht immer etwas Geduld, um jeden zu überzeugen. Aber mittlerweile sind wir gut vernetzt in allen Sektoren. In den kommenden Jahren wird das Teilnehmerspektrum immer breiter werden.
musik heute: Wer hat sich den Namen "Classical:NEXT" ausgedacht?
Jennifer Dautermann: Das waren wir. Denn wir wollen mit der Klassik nach vorne blicken. Alle Aktiven sollen zusammenkommen und gemeinsam in die Zukunft schauen. Deswegen "NEXT", im Sinne von "zukunftsorientiert". Mit der Wortmarke kann man auch gut arbeiten. Die Schrifttypen der beiden Wörter stellen dar: die Tradition bewahren und zelebrieren und respektieren, aber gleichzeitig Innovationen hervorheben, neue Ideen und Formate und Ansätze.
musik heute: Ihr Unternehmen hat seit 1994 Erfahrung mit der World Music Expo. Unterscheidet sich die Organisation einer Weltmusikmesse von der einer Klassik-Messe?
Jennifer Dautermann: Als Projektleiterin von Classical:NEXT sehe ich einen entscheidenden Unterschied: Bevor die WOMEX entstand, existierte praktisch keine Weltmusikszene. Natürlich gab es seit jeher Weltmusik, aber keine eigene Szene. Die ist überhaupt erst durch die WOMEX entstanden und gewachsen. Die Klassik dagegen existiert natürlich schon länger und ist sehr etabliert. Aber wie gesagt, jeder macht sein eigenes Ding Wir wollen den verschiedenen Gruppen nun zeigen, welche Vorteile es hat: man kann voneinander lernen, kann Synergien schaffen, über den Tellerrand gucken, Netzwerke erweitern und so weiter.
Ein anderer Unterschied ist, dass die Klassik-Szene sehr weit im Voraus plant. Deswegen ist uns bewusst, dass es dauern wird, diese Messe aufzubauen. Umso überraschter sind wir über die positive Resonanz. Wir hatten uns zum Beispiel auf 300 Delegierte insgesamt eingestellt und haben dieses Ziel jetzt schon erreicht!. Dabei sind es noch zweieinhalb Monate bis zum Beginn der Messe, und das Programm ist noch nicht einmal vollständig bekannt gegeben. Das zeigt, dass es ein Bedürfnis und viel Potential gibt.
musik heute: Warum wurde als Veranstaltungsort die Stadt München gewählt?
Jennifer Dautermann: München ist eine Klassik-Stadt. Die haben zum Beispiel sieben Orchester. Die Stadt nimmt die Klassiker sehr ernst, und sie hat Interesse an uns.
musik heute: Soll die Messe immer in München stattfinden, oder wird sie wandern, wie die WOMEX?
Jennifer Dautermann: Wir betrachten das wie eine Verlobung. Im Moment sind wir sehr glücklich mit München, alles läuft sehr gut. Wir haben es vor und schauen, ob es eine feste Beziehung sein könnte. Es gibt eigentlich keinen Grund, daran zu zweifeln.
musik heute: Ist Classical:NEXT ein reines Fachforum, oder gibt es auch Publikumsveranstaltungen?
Jennifer Dautermann: Die meisten Teile richten sich an Fachbesucher. Es gibt aber auch einige Aspekte, die für das allgemeine Publikum offen sind. Zum Beispiel haben wir ein vom Internationalen Musik + Medienzentrum IMZ in Wien ausgewähltes, abwechslungsreiches Filmprogramm. Es enthält Comedy, Oper als Trickfilm und zwei Tanzfilme, aber auch die ganz klassischen Konzertfilme.
Die Abend-Showcases sind ebenfalls offen für das Publikum. Außerdem gibt es in zwei Münchner Clubs ein Partner-Programm namens "C: Next Level". Das ist unabhängig von uns, aber wir haben es angeregt. Da wird Alternativ-Klassik gespielt, sehr clubmäßig.
Wie bei allem auf der Classical:NEXT versuchen wir auch hier, die beiden Ansätze "Tradition" und "Innovation" zusammenzubringen, so dass eine gute Balance entsteht.
musik heute: Sollen es künftig mehr Publikumsveranstaltungen werden?
Jennifer Dautermann: Wir sehen erstmal, wie das Publikum reagiert und überlegen dann, wie es weitergeht. Natürlich würden wird es begrüßen, wenn wir noch mehr für das allgemeine Publikum anbieten können. Dabei ist uns besonders wichtig, die Stadt München und Münchner Musiker mit einzubinden.
musik heute: Um welche Fragen geht es im Konferenzteil?
Jennifer Dautermann: Allgemein dreht es sich um Marketing, Publikum, Technologien und Musikformen. Einige Themen stehen schon fest, weitere werden bald bekannt gegeben. Das haben wir bei der WOMEX gelernt, keine Ankündigungen zu machen, bis alles vollständig feststeht. Wir sind ein bisschen spät dran, aber die Leute haben dafür Verständnis, weil es eine Erstausgabe ist.
Die ganze Messe ist ja wirklich ein work-in-progress, eine "Beta-Version". Dabei entdecken wir, wie das läuft, und die Branche lernt uns kennen. Es ist auch ein Startpunkt für weitere Entwicklungen, wo beide Seiten sehen können, wohin das gehen könnte. Was funktioniert und was nicht, was könnten wir verbessern usw.
musik heute: Nach den vier Tagen in München wird der Austausch aber nicht enden, sondern im Internet weitergehen…
Jennifer Dautermann: Genau. Kurz vor Beginn der Messe werden wir die Plattform C:N NET online schalten. Die Besucher können sie als Networking-Tool benutzen. Das macht natürlich erst Sinn, wenn man sich dort einmal getroffen hat. Die Plattform ist als Follow-Up gedacht, damit man das Jahr über den Kontakt halten kann. Und der Prozess, der dort angestoßen wird, auch weitergeführt werden kann und man nicht wieder ein Jahr lang schweigt.
(Die Fragen stellte Wieland Aschinger)
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