Tiefe Dankbarkeit für Pollini beim Rheingau Musik Festival

10. August 2016 - 13:26 Uhr

Wiesbaden (MH) – Standing Ovations erntete Klavierlegende Maurizio Pollini (74) am Dienstagabend mit seiner altersmilden, edel schimmernden Interpretation von Chopin, Schönberg und Debussy beim Rheingau Musik Festival. Nach der dritten Zugabe des Altmeisters sprach eine überwältigte Frau in die andächtige Stille hinein laut aus, was die Stimmung in den vergangenen zwei Konzertstunden auf den Punkt brachte: Ein schlichtes, aber inniges "Danke".

Maurizio Pollini

Maurizio Pollini

Der fast ausverkaufte Friedrich-von-Thiersch-Saal im Wiesbadener Kurhaus mit seinen fein vergoldeten Gitterornamenten im Bühnenhintergrund war die ideale Kulisse für ein Solokonzert, das der Italiener mit dem Andenken an seinen im Januar diesen Jahres verstorbenen Freund eröffnete: Pierre Boulez. Von seinem legendären Steinway-Fabbrini aus entsandte er Arnold Schönbergs sechs kleine Klavierstücke op. 19 als kostbare Preziosen unendlich zart ins Dunkel schimmernde Halbrund. Bereits dem ersten Stück "Leicht, zart" beließ der Pianist seine geheimnisvolle Aura und zeigte ab dem ersten Ton die hohe Anschlagskultur, die ihn als leicht unterkühlten, niemals hart auftrumpfenden, immer aber noblen Interpreten berühmt gemacht hat.

Die Darbietung Chopins, des Komponisten, mit dem Pollini als 18-Jähriger kometenartig den Musikolymp erklommen hat, geriet zwiespältig. Nach wie vor ist der Mailänder Meister einer der versiertesten Tastentechniker dieses Planeten, allerdings korrespondierte seine Ausgestaltung des Préludes cis-Moll op. 45 und die der beiden Nocturnes in cis-Moll und Des-Dur diesmal mit der Art und Weise, wie er auf die Bühne strebte: Wacker, mit lange antrainiertem Willen zum Durchhalten, aber nicht in der Lage, seine tiefe Erschöpfung zu verbergen. Am auffälligsten zeigte sich seine huschende Unkonzentriertheit, seine fahrigen, technischen Mängel bei den Oktavgriffen im letzten Stück vor der Pause, dem düster wogenden Scherzo Nr. 1 h-Moll op. 20. Da reicht es nicht mehr von einem "Abglanz" früherer Zeiten zu sprechen: Hier scheiterte ein ganz Großer tragisch im Vergleich zu seiner früheren Rasanz und spektakulären Ausdrucksschärfe.

Hochkonzentriert dagegen nach der Pause seine zwölf Debussy-Préludes, deuxième livre. In der klaren Haltung, die Pollini bei der Interpretation des impressionistischen Zyklus zeigte, offenbarte er all das, was ihn als herausragenden Musiker auszeichnet: Lyrische Feinheit, appollinische Glätte und zurückhaltenden Stolz. Als habe er sein gesamtes technisches Können bis zum letzten Stück aufgespart, explodierten seine perlenden Läufe schließlich im "Feux d´artifice" (Feuerwerk) und setzten damit ein fulminantes Ausrufezeichen. Bereits jetzt erhoben sich die Ersten zu Stehenden Ovationen, bereit, einem Mann zu huldigen, der für die Erhabenheit des Klavierklangs Einzigartiges geleistet hat.

(Von Bettina Boyens)

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