Der Filmmusikkomponist Cliff Eidelman war gerade einmal 26 Jahre alt, als er den Auftrag für "Star Trek VI – Das unentdeckte Land" erhielt. Die Soundtracks der ersten fünf Kinofilme von "Raumschiff Enterprise" hatten Hollywood-Größen wie Jerry Goldsmith und Leonard Rosenman geschrieben. Teil sechs war als Abschluss und Höhepunkt der Filmserie geplant. Deshalb sollte auch der Soundtrack etwas Besonderes sein.
Zeitweise überlegte man, "Die Planeten" von Gustav Holst zu verwenden. Diese Orchestersuite hatte Eidelman auf dem College studiert, er wäre also imstande gewesen, sie zu adaptieren. Aber er überzeugte den Regisseur und die Produzenten mit seiner eigenen Musik. Das Ergebnis war ein Soundtrack, der noch heute zu einem der besten "Star Trek"-Scores zählt.
Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin musik heute erinnert sich der Komponist. (click here for the english version)
Erste Schritte
In seinem Elternhaus gab es immer Musik. "Meine Mutter konnte auf dem Klavier alles spielen, worum wie sie baten", erinnert sich Cliff Eidelman. Seine ersten Platten waren ein Beatles-Album, das er mit 4 oder 5 Jahren bekam, und Beethovens 6. Sinfonie. "Die Pastorale, davon konnte ich gar nicht genug bekommen." Mit 7 Jahren begann er mit Geigenunterricht und spielte mit seiner Schwester Violinenduette. Später gründete er eine Rockband, war Gitarrist, Songschreiber und Sänger. "Im Schulorchester spielte ich Violine und nachmittags übte ich mit der Band. Meine Musik bewegte sich also zwischen zwei Welten", sagt Eidelman.
Mit der Zeit wurden seine Kompositionen für die Rockband komplizierter und gingen in Richtung Progressive Rock, beeinflusst von Yes, Pink Floyd und Emerson, Lake & Palmer. Eines Tages hörte er Strawinskys "Le sacre du printemps", was ihn "echt umgehauen" hat, wie er sagt. Von dem Moment an begann er sich mehr mit klassischen Kompositionen zu beschäftigen. Er hörte Beethoven, Prokofjew, Copland und viele andere. Indem er ihre Partituren studierte, begann er zu lernen, wie man Musik für Orchester schreibt. "An der Rockmusik verlor ich etwas das Interesse. Denn mit nur vier, fünf Musikern konnte ich nicht die ganze Musik spielen, die ich in meinem Kopf hörte", meint er.
Sein Interesse für Filmmusik wurde bei "Star Wars" geweckt. Als die Eröffnungsakkorde erklangen, dachte er: "Wow! Musik in einem Film! Das ist großartig!" Da hörte er erstmals ganz bewusst die "Kraft von orchestraler Musik in einem Film". Einige Jahre später besuchte Eidelman an der University of California, Los Angeles, Kurse über die Mechanik der Filmkomposition. "Da lernte man, Musik auf eine bestimmte Zeit und für dramatische Zwecke usw. zu schreiben. Das war mein Einstieg in das Schreiben von Musik für Filme", erklärt er.
Sein erstes selbstkomponiertes Orchesterwerk war ein Ballett. "Zum Teil konnte ich das Werk auch orchestrieren, aufbauend auf dem was ich mir schon selbst beigebracht und in Büchern über Orchestrierung gelesen hatte. Aber mir war klar, dass ich mich noch intensiver mit der Kunst der Orchestrierung beschäftigen musste. Deshalb nahm ich Privatunterricht bei Steven Bernstein und lernte anhand meines Balletts, wie man instrumentiert. Es war auch sehr hilfreich, z.B. Beethovens Symphonien oder Ravels 'Daphnis und Chloe' zu studieren. Dadurch bekam ich eine Vorstellung davon, wie man Klangfarben mischt und Instrumente zusammenbringt." Das sei für ihn der ideale Weg gewesen, das Orchestrieren zu lernen: eine Musik zu hören und sich dann anzusehen, wie sie geschaffen wurde. "Am besten ist es natürlich, wenn man daraus seine eigene Art zu komponieren entwickelt. Das ist das Ziel", sagt er. Zu der Zeit studierte Cliff Eidelman Musik am Santa Monica College. Später nahm er an die University of Southern California Kompositionslehre im Hauptfach. "Aber am meisten habe ich gelernt, indem ich es einfach gemacht habe, learning by doing", meint er.
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"Ich suchte nach einem Komponisten, der meinem Film eine Stimme gibt."
Nicholas Meyer, Regisseur
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Star Trek
Als Paramount 1991 den sechsten "Star Trek" Film plante, suchte das Studio nach einem Komponisten, der am Anfang seiner Karriere stand. Denn für einen bekannten Namen hatten sie nicht das Geld. "Ich glaube, das öffnete Leuten wie mir die Tür, um meine Musik hinzuschicken", sagt Eidelman, der damals bereits ein halbes Dutzend Soundtracks komponiert hatte. Eines Tages wurde er in das Büro von Regisseur Nicholas Meyer eingeladen. "Wir sprachen über den Film und Nick erklärte mir die Eröffnung ", erinnert sich Eidelman. Der Streifen sollte mysteriöser als die vorherigen Star Trek-Filme sein. Daher wollte Meyer weg von den Märschen und Fanfaren. Dann meinte er, Strawinskys "Feuervogel" sei sehr mysteriös und dunkel. So solle der Film anfangen: "in einer Art stiller Dunkelheit."
Mit dieser Beschreibung und einer Vorstellung von der Geschichte entwickelte Eidelman eine Vorspann-Musik. "Man muss bedenken, dass sie den Film noch gar nicht gedreht hatten, es waren also nur Ideen in der Luft", betont Eidelman. Aber inspiriert durch das Treffen mit dem Regisseur komponierte er die Eröffnung sehr schnell. "Denn alles was Nick gesagt hatte, erschien mir so klar. Und das Script hatte ein starkes Statement. Daher hatte ich ein sicheres Gefühl für den Ton des Films", erinnert sich der Komponist.
Am nächsten Tag rief er den Regisseur an und sagte ihm, dass er die Eröffnungsmusik habe. Meyer wollte an dem Abend nach Europa fliegen, deshalb fuhr Eidelman sofort in sein Büro. "Als er meine Musik hörte, kam ein Lächeln auf sein Gesicht. Er merkte, dass ich ihn verstanden hatte", erzählt Eidelman. In dem Moment dachte er: 'Ich glaube, ich bekomme den Job.' Meyer gab ihm ein Skript des Films und sagte: "Lass uns demnächst weiter darüber sprechen."
Eidelman ging das Drehbuch durch und schrieb hinein, wo seiner Meinung nach Musik erscheinen sollte. Er erstellte fast eine komplette spotting session. "All das habe ich anhand des Skripts gemacht, obwohl der Film noch gar nicht gedreht war. Das ist wirklich ungewöhnlich", bemerkt Eidelman. Er sandte das Skript an Nicholas Meyer. Dieser studierte seine Notizen, fügte eigene hinzu und schickte ihm das Skript zurück. So ging es ein paar Mal hin und her.
Bei dem nächsten Termin mit Nicholas Meyer und dem Film Editor Ron Roose dachte Eidelman, nun würde er endlich einen Vertrag bekommen. Stattdessen meinte der Regisseur plötzlich: "Wie wäre es, wenn wir "Die Planeten" von Gustav Holst adaptieren?" Eidelman hatte das Werk am College studiert. "Es ist eine großartige Partitur und ich würde sie gerne adaptieren", sagte er. Damit wäre er aber Arrangeur der "Planeten" geworden, anstatt Komponist eigener Musik.
Nach dem Treffen fragte er den Film Editor: "Ron, bin ich eigentlich für den Film engagiert?" Worauf dieser erwiderte: "Das habe ich mich auch schon gefragt." Bald darauf erhielt er den entscheidenden Anruf: "Cliff, du hast den Job." Und er dachte: "Wow, endlich!"
Adaption von Holst?
Eidelman sah sich also "Die Planeten" an und überlegte, wie er sie adaptieren könnte. "Aber es erschien mir wirklich falsch, das Werk hatte einfach nicht den richtigen Klang." Trotzdem arbeitete er eine Weile daran. Irgendwann kehrte er aber zu seiner Eröffnungsmusik zurück. "Ich schrieb einfach die Musik, von der ich dachte, dass sie funktionieren würde. Diesen Score entwickelte ich also völlig unabhängig."
Eines Tages wollten die Produzenten und der Regisseur die Ergebnisse seiner Arbeit hören. Eidelman spielte ihnen einige Szenen seiner eigenen Musik vor. Da lächelten die Leute und einer der Produzenten fragte in die Runde: 'Wenn wir das hier schon haben, warum versuchen wir noch, "Die Planeten" zu bekommen?"'. So entschieden sie: Vergessen wir "Die Planeten", lassen wir Cliff einfach einen original Score schreiben. Erst später erfuhr Eidelman, dass die Lizensierung der "Planeten" für das Studio zu teuer gewesen wäre. "Ich war sehr glücklich darüber. Für einen Komponisten ist es viel befriedigender, seine eigene Musik zu schreiben, als die von jemand anders zu arrangieren."
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"Was ich an Star Trek VI besonders wichtig finde, ist die Musik.
Die Musik (…) ist nicht nur die Partitur, nicht nur die Noten, sondern eine Stimme.
Und wenn sie richtig gemacht wird, ist sie genau das: eine neue Stimme, die in den Film kommt."
Ronald Roose, Film Editor
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Und dann folgte eine große Menge Arbeit: Täglich zwölf Stunden komponieren. Bei den Aufnahmen der Filmmusik konnte Eidelman ein großes Orchester nutzen. Außerdem setzte er den Los Angeles Master Chorale für den Gesang am Anfang und für den Rura Penthe Eisplaneten ein. Vorher war er in dem Studio eines Perkussionisten, der tausende Schlaginstrumente aus aller Welt gesammelt hatte. Mit Bleistift und Papier ging er durch den riesigen Raum und tippte buchstäblich jedes Instrument an. Alles was interessant klang, schrieb er auf und fragte den Perkussionisten nach dem Klangumfang des jeweiligen Instruments. "Für die Szenen auf dem Eisplaneten stellte ich all diese fremden Instrumente zusammen. Bei den Aufnahmen war die Hälfte der Bühne damit gefüllt. Das war ein Riesenspaß!"
Cliff Eidelman war erst 26 Jahre, als er in das "legendäre" Franchise von Star Trek eintrat. Hat er das nicht als schwere Verantwortung empfunden? "Das hätte man meinen können", sagt er. "Aber irgendwie fühlte ich mich frei von jeglicher Last. Vielleicht weil ich so begeistert von dem Projekt war und so hart daran gearbeitet habe." Außerdem fühlte er eine Menge Unterstützung von Regisseur Nicholas Meyer und dem ganzen Team. Bei den Aufnahmen von "Clear All Moorings" hörte zum Beispiel Leonard Nimoy im Kontrollraum zu. "Er lächelte mich an und sagte: 'Das ist wirklich gut!'", erinnert sich Eidelman und fügt hinzu. "Das war ein tolles Gefühl: Dieser Mann, der von ganz am Anfang der Serie dabei war, sagte mir, dass ihm meine Arbeit gefällt. Das hat mir wahrscheinlich geholfen, nicht die Last oder die Nervosität zu spüren."
Gegenwart und Zukunft
"Star Trek VI" war für Cliff Eidelman der Durchbruch im Filmmusikgeschäft. Inzwischen hat er an mehr als 30 Soundtracks gearbeitet. Aber er komponiert auch Werke für den Konzertsaal und hat sogar ein Album mit Rocksongs aufgenommen. "Ich muss mich immer zwischen den Genres bewegen", sagt er. "Ich liebe es, mit Geschichten und Bildern zu arbeiten. Denn das bringt wirklich musikalische Ideen aus mir heraus. Genauso mag ich es, reine Musik zu schreiben. Gerade habe ich eine Symphonie in drei Sätzen komponiert. Sie basiert auf allen Arten von Bewegung und von Wasser. Das ist eine völlig andere Kunstform, denn die ganze Struktur muss auf sich selbst stehen. Es ist Musik um ihrer selbst willen."
(Von Wieland Aschinger)
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