Stuttgart – Die dringend nötige Sanierung der Stuttgarter Oper könnte mehr als eine Milliarde Euro kosten und länger dauern als zunächst angenommen. Stadt und Land haben dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater am Dienstagabend dargelegt, wie sie sich die Gestaltung des größten Dreispartenhauses der Welt vorstellen – und wo in der Zeit des Baus gesungen, getanzt und gespielt werden soll. Entscheiden müssen letztlich Gemeinderat und Landtag. Denn die Kosten müssten sich Stadt und Land als Träger der Staatstheater jeweils zur Hälfte teilen.
"Wir wollen, dass der Zug zur Sanierung Fahrt aufnimmt. Die Zeit ist reif dafür, sich festzulegen", sagte die Vorsitzende des Verwaltungsrates, Kunstministerin Theresia Bauer, nach der Sitzung. Die Grünen-Politikerin sprach von einem "Jahrhundertprojekt".
Ohne Zweifel muss das gut 100 Jahre alte Opernhaus nahe der Mammutbaustelle Stuttgart 21 generalsaniert werden, es platzt zudem aus allen Nähten. Unter anderem soll eine moderne sogenannte Kreuzbühne schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel möglich machen, außerdem wird mehr Platz zum Beispiel für Proberäume benötigt, das Dach aus dem Jahr 1911 ist marode und die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. Die Intendanz hat insgesamt 10.450 Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche angemeldet.
Nach der Schätzung rechnen Stadt und Land für die Sanierung und Erweiterung des Opernhauses mit Kosten zwischen 740 und 960 Millionen Euro allein für die Arbeiten im und rund um den Littmann-Bau, dem heutigen Opernhaus. Eingerechnet sei darin bereits eine Art Risikopuffer für die zu erwartende Baupreissteigerung.
Als Standort für den Interimsbau schlagen Bauer und ihr Stellvertreter an der Spitze des Verwaltungsrats, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne), ein Areal am Kulturzentrum Wagenhallen vor. Auf dem ehemaligen Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs, etwa vier Kilometer vom jetzigen Staatstheater entfernt, soll später einmal das Kreativzentrum "Maker-City" entstehen. Den Bau von zwei der Gebäude dieses Zentrums auf stadteigenem Gelände will Kuhn zeitlich vorziehen zu Kosten von 84,1 Millionen Euro aus dem Haushalt der Kommune. Dort könnten Werkstätten und die Verwaltung untergebracht und die Räume später weiter genutzt werden.
Weitere insgesamt 104,2 Millionen Euro dürfte der Bau der aus wiederverwendbaren Modulbauten zusammengesetzten Spielstätte mit Bühne, Bühnenturm und Zuschauerraum kosten. Diese Räume würden zwar später abgerissen werden, sagte Kuhn. Die Stadt schätze aber, dass sich Teile des Baus im Wert von insgesamt 18,8 Millionen Euro verkaufen lassen dürften. Die Kosten für Spielstätte und Sanierung teilen sich Gemeinde und Land. Insgesamt soll die Interimslösung eine Bruttogeschossfläche von 34.000 Quadratmetern haben.
Eine weitere Möglichkeit zur Expansion sieht Kuhn in der Zuckerfabrik im Stadtteil Bad Cannstatt. Dort ständen weitere 9.000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Pläne, Oper und Ballett für die Jahre der Sanierung im alten Paketpostamt unterzubringen, waren zuletzt an den Kosten und am Veto Kuhns gescheitert. Daraufhin hatte eine vom OB eingesetzte Task-Force das Areal der Wagenhallen als möglichen Standort für eine Interimsspielstätte vorgeschlagen.
Ein Gutachten im Auftrag der Staatstheater hatte 2014 für die Sanierung und Erweiterung der Staatsoper fünf bis sieben Jahre veranschlagt. Für Planung und Bau der Zwischenspielstätte sind jeweils zwei Jahre vorgesehen. Werden die jüngsten Vorschläge beschlossen, dürfte sich das Projekt einige Jahre länger hinziehen als geplant: Bislang sollte die Sanierung nicht vor 2024 beginnen und mindestens bis 2030 dauern. Kuhn geht nun von einem Baubeginn nicht vor 2025 aus.
Kuhn sprach nun von einer "ziemlich guten Lösung", für die es sich lohne zu streiten. Der geschäftsführende Intendant der Staatstheater, Marc-Oliver Hendriks, nannte die Pläne einen "Durchbruch der Klarheit".
Angesichts der kalkulierten Kosten forderte die Bürgerinitiative "Aufbruch Stuttgart" eine Bürgerbefragung. "Das sind unanständig hohe Kosten", sagte der frühere TV-Moderator Wieland Backes ("Nachtcafé") als Sprecher der Initiative am Dienstagabend der dpa. Nach seiner Einschätzung verlief die bisherige Planung undemokratisch. Die Bürgerinitiative hatte vehement den Bau einer weiteren Spielstätte und eine weniger umfangreiche Sanierung gefordert.
Auch der Bund der Steuerzahler forderte, bei der Sanierung auf die Kosten zu achten. Beispiele in Köln und Berlin zeigten, dass Sanierungen von Opernhäusern leicht zu einem Fass ohne Boden werden könnten. Umfangreich saniert werden in den kommenden Jahren auch das Badische Staatstheater und das Mannheimer Nationaltheater.
(Von Martin Oversohl, dpa/MH)
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(18.01.2019 – 17:07 Uhr)
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