(mh) – Rudi Stephan war eine der größten musikalischen Begabungen des frühen 20. Jahrhunderts. Der Komponist war schon als Wegbereiter einer neuen Epoche gefeiert worden, doch starb er mit nur 28 Jahren als Soldat im Ersten Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg wurde sein gesamter Nachlass bei einem Bombenangriff vernichtet. Der Pianist Hinrich Alpers will Rudi Stephans Werk wieder einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachen. Am Donnerstag wird er mit hochkarätigen Musikerkollegen Stücke und Lieder des Komponisten in Berlin aufführen und auf CD einspielen.
Rudi Stephan (1887-1915) stand den musikalischen Strömungen seiner Zeit außerordentlich offen gegenüber. Besonders französische Komponisten wie Claude Debussy und Maurice Ravel beeinflussten seinen Stil. Gelegentlich wird Stephan als "einziger deutscher Impressionist" bezeichnet. Doch seine musikalische Sprache zeigte von Anbeginn große Selbstständigkeit und starken eigenen Gestaltungswillen.
Bewusst verzichtete Stephan auf traditionelle Gattungsbezeichnungen wie "Symphonie" oder "Streichquartett", sondern gab seinen Werken schlichte Titel wie "Musik für Orchester". Die Stücke sollten ohne übersteigerte Erwartungen wirken können und nicht durch einen poetischen Titel überhöht werden. Ab 1910 entwickelte sich der Komponist zu einer solchen Begabung, dass unter anderem der renommierte Schott-Verlag auf ihn aufmerksam wurde.
1915 wurde Rudi Stephan zum Kriegsdienst eingezogen. Zu der Zeit arbeitete er an seiner Oper "Die ersten Menschen". Als besondere Ironie empfand Stephan, dass dem Werk "das Problem des Weltfriedens zugrunde liegt", wie er schrieb. "Wenn nur meinem Kopf nichts passiert, es sind noch so viele schöne Sachen drin!", soll er zum Abschied seiner Mutter gesagt haben. Vierzehn Tage nach seinem Eintreffen an der Ostfront traf ihn eine Kugel tödlich in den Kopf.
Nach Stephans Tod wurde eine Auswahl an Stücken aus seinem Nachlass veröffentlicht. Unter anderem erlebte die Oper "Die ersten Menschen" 1920 die Uraufführung an der Frankfurter Oper. 1944 verbrannte Stephans Nachlass bei einem Bombenangriff. Zwar wurden 1983 ein Manuskript und Anfang der 2000er Jahre zwei weitere Orchesterstücke entdeckt, doch die meisten der zum Teil noch im Entwicklungsstadium befindlichen Werke gelten als verloren.
In den letzten zehn Jahren wird die Musik Rudi Stephans zunehmend wiederentdeckt. Unter anderem hat das Melbourne Symphony Orchestra seine sämtlichen Orchesterwerke eingespielt. Und die Oper "Die ersten Menschen" ist gleich zweimal auf CD erschienen.
Der Pianist Hinrich Alpers erlebte seine persönliche "Initialzündung" in Sachen Rudi Stephan bereits 1995 beim Besuch eines Konzerts mit der "Musik für Orchester". "Förmlich elektrisiert von der Dichte und Originalität der Musik", wie er sagt, begab er sich auf die Suche nach Noten, Aufnahmen und Literatur über Rudi Stephan.
Während seines Musikstudiums erhielt Alpers Zugang zu weiteren Quellen und Aufführungsmaterialien und entwickelte das Konzept eines Portraitkonzerts über den Komponisten. Dessen erste Aufführung brachte Alpers 2004 den heutigen Prätorius Musikpreis ein. Ein Konzert beim Ottawa Chamber Music Festival 2009 wurde von der CBC mitgeschnitten und seitdem mehrfach am Veteran’s Day, dem kanadischen Tag der Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, gesendet.
Nun wird das Projekt in Berlin aufgeführt. Neben "Sieben Liedern" für Mezzosopran und Klavier, der "Groteske für Geige und Klavier" und der "Musik für Sieben Saiteninstrumente" ist das Orchesterlied "Liebeszauber" zu hören, das Alpers für die ungewöhnliche Besetzung "Sieben Saiteninstrumente" bearbeitet hat. Mit dem Kuss Quartett, Bariton Hanno Müller-Brachmann, der Mezzosopranistin Tehila Goldstein sowie Nabil Shehata (Kontrabass), Agata Szymczewska (Violine) und Marie-Pierre Langlamet (Harfe) hat sich unter Hinrich Alpers Leitung eine Gruppe hochkarätiger Musiker zusammengefunden. Das Konzert wird von Deutschlandradio Kultur mitgeschnitten und später auf CD veröffentlicht.
Das Porträtkonzert "Rudi Stephan (1887-1915): Der Frühvollendete – Kammermusik und Lieder" beginnt am Donnerstag, 27. Februar 2014, um 19:30 Uhr in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem. Karten zum Preis von 15,00 Euro (Schüler und Studenten 10,00 Euro) sind an allen bekannten Vorverkaufsstellen und telefonisch unter 030/47997447 erhältlich.
(wa)
Links:
http://www.kg-dahlem.de
http://www.hinrichalpers.de
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