Erfurt – Seit 20 Jahren rätseln Organisten, Kantoren und Restauratoren immer öfter über Schimmel an historischen Orgeln. Die Ursachen seien vielfältig und nicht pauschal auf Klimaveränderungen zu reduzieren, sondern hingen auch stark von den Nutzungsbedingungen in den Kirchen ab, stellte das interdisziplinäre Forschungsteam am Montag in Erfurt seine Ergebnisse dreijähriger Untersuchungsarbeit vor. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hatte das Forschungsprojekt gestartet. Die EKM besitzt etwa 4.000 Orgeln, darunter 2.000 in Thüringen.
Schon ein minimaler Temperaturanstieg, etwa aufgrund milderer Winter oder größerer Heizungswärme könne bei einer bestimmten Feuchtigkeit das Wachstum der Schimmelpilze begünstigen und langfristig die Orgeln gefährden. Auch so wertvolle Instrumente wie etwa von Silbermann seien befallen gewesen, heißt es in dem Bericht. Konkrete Zahlen, wie viele Orgeln befallen sind, gebe es aber nicht.
Das Schimmel-Phänomen tritt deutschlandweit verstärkt auf. Bis Dienstag wollen daher rund 150 Teilnehmer aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden auf einem Kolloquium im Erfurter Augustinerkloster über Ursachen und "Wohlfühlfaktoren" für den Schimmel sprechen. Bislang hat eher die Beseitigung des Schimmels im Blickpunkt der Forschung gestanden. "Wenn wir verstehen, wie die Schimmelarten 'ticken', dann können wir ihnen vielleicht auch mit einfachen Methoden das Leben vergällen", sagte der Hildesheimer Restaurator Jens Klocke. Etwa durch eine ausgeklügelte Lüftung des Kirchenraumes – und nicht nach dem Gefühl des Küsters.
Von 400 erfassten Orgeln wurden letztendlich 19 konkret untersucht, darunter befallene und schimmelfreie Instrumente, in großen Stadtkirchen und kleinen Dorfkirchen. Schimmelsporen befallen vor allem die Bemalungen der Orgeln. Sie fressen Staub, aber auch die vielen Kleberverbindungen und das Leder im Inneren. Für den Organisten und die Kirchenbesucher seien sie im Normalfall kaum gesundheitlich gefährlich – zumal sie auch überall im Kirchenraum auftreten würden, hieß es. Weit gefährlicher für den Fortbestand der Instrumente sei der Gemeine Hausschwamm. Er kann in wenigen Jahren die Holzkonstruktion einer Orgel zusammenbrechen lassen.
"Anamnese und Diagnose und erst dann die Therapie", sagte der EKM-Finanzdirektor Stefan Große. Die EKM will deshalb zusammen mit anderen Geldgebern 2018 ein weiteres Forschungsprojekt starten, um den Kirchengemeinden eine Art "Handwerkskasten" oder Katalog zur Vorbeugung und Bekämpfung der Schimmelsporen an die Hand geben zu können. Das jetzige Projekt kostete 260.000 Euro.
(dpa/MH)
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