Begeistert vom ersten Ton an: Der Zink des Thomas Friedlaender

19. Mai 2011 - 15:11 Uhr

Das Instrument sieht aus wie eine (die) Flöte, heißt aber der Zink. Wer es spielt, wird nicht Zinkist genannt (und schon gar nicht Zinker), sondern Zinkenist. Zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert war der Zink eines der wichtigsten Musikinstrumente. Obwohl er aus Holz oder Elfenbein gefertigt wurde, zählt er zu den Blechblasinstrumenten. Seine Entwicklung reicht bis zu dem Lituus der Etrusker zurück.

Der Zink stand in dem Ruf, die menschliche Stimme am besten imitieren zu können. Doch in dieser Eigenschaft machte ihm ausgerechnet ein Streichinstrument Konkurrenz: die Violine. Mit ihrem Aufkommen verlor der Zink allmählich an Bedeutung. Zuerst verschwand er aus der Soloposition und bis Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem gesamten Musikleben. Seit den 1920er Jahren wird der Zink aber wiederentdeckt.

Größenvergleich (Foto: privat)

Der Zink (ital. Cornetto) ist eigentlich ein Holzblasinstrument, das rein äußerlich an eine Flöte erinnert. Da er aber ein Mundstück hat, an dem der Ton unmittelbar durch die Lippen des Musikers erzeugt wird, zählt der Zink zu den Blechblasinstrumenten. Er stammt aus Italien, ist zwischen 55 und 70 Zentimeter lang und kommt vor allem in zwei Bauweisen vor: Der Krumme Zink ist – wie der Name sagt – gekrümmt und mit dunklem Leder oder Pergament überzogen. Der Stille Zink hat eine fast gerade Form. Sein Ton ist weicher und leiser.

Im frühen Mittelalter hatte der Zink vermutlich einen tiefen, dumpfen Klang und besaß einen kleinen Tonumfang. Durch seine Weiterentwicklung avancierte er bis zur Renaissance zum führenden Sopraninstrument in den Hof- und Kirchenkapellen. Komponisten, Musiker und Publikum schätzen den Zink in seinen besten Zeiten – zwischen 1500 und 1650 – besonders, weil er die menschliche Stimme hervorragend imitieren konnte. Zinkenisten waren oftmals große Virtuosen, teilweise besser bezahlt als andere Musiker und gefeiert wie heutige Superstars.

Einer seiner "Wiederentdecker" ist der Dresdner Musiker Thomas Friedlaender. "Ich habe den Zink das erste Mal bei einem Konzert in Rostock gehört und war von seinem Klang sofort hingerissen ", erinnert er sich im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin musik heute. Das war kurz nach dem Mauerfall 1989. "Damals war ich 1. Trompeter bei dem Volkstheater Halberstadt, also in einer guten Position. Da es ein Mehrspartentheater war, konnten wir alles machen, vom Konzert über Musical bis zur Oper." Trotzdem war er immer auf der Suche nach Neuem, sagt Friedlaender: "Besonders in der Aufbruchstimmung nach ’89. Als ich dann in dieser kleinen Kirche, in dieser wunderbaren Raumakustik, den Zink hörte, war ich wie vom Schlag getroffen. Ich wusste sofort: Das ist mein Instrument!"

(Foto: Petra Steiner)

Dabei war und ist der Zink selbst unter Klassik-Fans kaum bekannt. Wo bekommt man Informationen über so ein Instrument? Wen soll man fragen? Das Internet gab es ja damals noch nicht. "Aber wenn man nach etwas verrückt ist, dann findet man einen Weg", erklärt Thomas Friedlaender und man merkt ihm die immer noch anhaltende Begeisterung an. "Bei einem anderen Konzert bin ich einfach zu dem Zinkenisten gegangen und habe ihn gefragt, ob ich als Trompeter auch den Zink spielen könnte."

Lernen und Forschen

Die Antwort fiel positiv aus. Und Friedlaender bekam dazu sogar noch ein paar Hinweise, wo er Zink-Unterricht nehmen könnte. "Ich hatte dann mehrere Lehrer und habe schließlich in Leipzig und vor allem in Basel studiert." Die Schola Cantorum Basilensis ist sowohl Hochschule für Alte Musik, als auch eines der bedeutendsten Forschungszentren für die Historische Musikpraxis. In der dortigen Bibliothek fand er auch Noten für den Zink. "Außerdem tauschten und tauschen wir im Freundeskreis Tipps aus: 'Hast du schon gehört? Da und da gibt es diese und jene Noten…'", schildert er.

(Foto: privat)

Doch wie erforscht man bei einem Instrument, das seit Jahrhunderten nicht mehr gespielt wurde, die historische Aufführungspraxis? "Das ist wie eine Detektivarbeit", erklärt Thomas Friedlaender. "Ausgangspunkt sind natürlich Kataloge, die ich in Basel gefunden habe. Dann forscht man in anderen Büchern und tauscht sie wiederum mit Freunden aus. Vor allem spricht man mit Instrumentenbauern. Der eine erklärt zum Beispiel, dass er an einer bestimmten Stelle mit Schleifpapier arbeitet, während der andere das nie tun würde."

Daraus könne man eine Menge Hinweise ableiten, wie der Zink zu seiner Zeit zum Klingen gebracht wurde. "Dennoch muss man sich darüber klar sein, dass wir im 21. Jahrhundert leben und den Zink niemals genauso spielen werden wie im 17. Jahrhundert", gibt der Musiker zu bedenken. "Andererseits improvisiere ich gerne und versuche herauszufinden, was für Töne ich noch aus dem Zink holen kann. Da er vollchromatisch ist, kann ich mit allen anderen Instrumentalisten und sogar mit Sängern zusammen spielen."

So verbindet Thomas Friedlaender in seiner Musik die Tradition mit der Moderne. Er nennt den Zink auch "Saxophon der Renaissance". Das Verschwinden des Zinks aus den damaligen Konzertsälen erklärt er so: "Viele Instrumente versuchen ja, den Klang der menschlichen Stimme zu imitieren. Der Zink konnte das besonders gut. Im 17. Jahrhundert war er das Soloinstrument schlechthin. Aber er war ausentwickelt, konnte vor allem hoch und mit Geschwindigkeit spielen, hatte keine Steigerungsmöglichkeiten mehr. In dem Moment trat die Violine auf den Plan. Sie stand gerade am Anfang ihrer Entwicklung und hatte noch mehr Möglichkeiten zu bieten, zum Beispiel Doppelgriffe. Da stürzten sich die Komponisten auf das Streichinstrument – und die Zinkenisten wurden alle entlassen."

Erst vor wenigen Jahrzehnten wurde der Zink als faszinierend ausdrucksstarkes Instrument wiederentdeckt. Daher ist Friedlaender mit seinen Zinken – er spielt sowohl den Krummen als auch den Stillen Zink – noch ein Exot auf den Konzertbühnen. Trotzdem ist er der Suchende geblieben: Neben Trompete und Zink beherrscht er das Olifant (ein Horn aus Elfenbein) und das Alphorn sowie verschiedene Perkussionsinstrumente. "Letztlich bin ich durch das Suchen und Ausprobieren überhaupt zur Musik gekommen", erzählt er. Genauso halte er es heute auch mit seinen eigenen Kindern. "In meinem Elternhaus wurde das Musizieren zwar gefördert, aber ohne übermäßigen Druck." Seinen ersten Blockflötenunterricht musste er sogar abbrechen: "Mir wurde mangelnde Musikalität attestiert", erzählt er schmunzelnd und fügt hinzu: "Ich hatte aber auch einen doofen Lehrer." Später fand Thomas Friedlaender zum Glück bessere Pädagogen und heute gibt er selbst Kurse, zum Beispiel in Polen.

im Gespräch mit Thomas Friedlaender

Auf seiner Internetseite bietet Thomas Friedlaender Hörbeispiele des Zinks. Dort finden sich auch einige seiner Konzerttermine. Zum Kennenlernen empfiehlt er eine CD seines verehrten Lehrers William Dongois: "style fantastique" (erschienen beim Label Carpe Diem).

(Von Wieland Aschinger)

http://www.thomas-friedlaender.de

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