Berlin – Herbert von Karajan und Leonard Bernstein, Götz Friedrich und Patrice Chéreau – die Dirigenten und Regisseure, für die René Kollo sang, sind Legende, Kollo selber steht nach wie vor auf der Bühne. Auf seinen Tourneen liest er, singt und erzählt aus einer einmaligen Laufbahn. Am (heutigen) Montag wird Kollo 80, Aufhören gehört nicht zu seinen Plänen. "Ich falle zusammen, wenn ich nichts tue", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Dabei hat Kollo alles erreicht, was die Musikwelt zu bieten hat. "Ich habe die beste Zeit der Oper miterlebt." Es waren die Zeiten, als das Publikum den großen Sängern zu Füßen lag, Reporter die Opernstars am Flughafen erwarteten und die Gesangsdiven wie Hollywood-Größen gefeiert wurden. Tempi passati. "Verdummt", nennt Kollo das heutige Operngeschäft, durch unverständliche Regiekonzepte und unerfahrene Intendanten. "Und außerdem werden die Opernhäuser zusammengespart."
Kollos Weg führt aus einem Berliner Jazzkeller und ersten Erfolgen mit Schlagern wie "Hallo, Mary Lou" Ende der 60er Jahre nach Bayreuth, wo er ein sensationelles Debüt als Steuermann im "Fliegenden Holländer" gibt. Dann beginnt der steile Aufstieg: Er gastiert an allen großen Opernhäusern und Konzertsälen der Welt – von der Met in New York über Covent Garden in London bis Tokio und Wien. Auf dem Grünen Hügel in Bayreuth singt er den Siegfried in Patrice Chéreaus "Jahrhundert-Ring".
Sehr begabt, ein bisschen faul, habe ihn Chéreau beschrieben. Der Franzose habe das schon richtig beobachtet, sagte Kollo einmal. Doch sein Vorsingen im "Heiligen Gral" der Wagner-Musik hat er nie vergessen – "Ich, der ehemalige Schlagerheini", staunte er später über sich selbst.
Zum Mittelpunkt seines steilen Aufstiegs gehörte die Deutsche Oper Berlin, nicht zuletzt als Siegfried in Götz Friedrichs Inszenierung im "Ring des Nibelungen", die erst in der vergangenen Spielzeit nach 33 Jahren abgesetzt wurde. Aber auch als Tannhäuser, Lohengrin und in den "Meistersingern" war Kollo international gefragt. Im Jahr 2000, als er mit Wagners "Tristan" noch einmal die Titelpartie seines Lebens sang, verkündete Kollo seinen allmählichen Abschied von den großen Wagner-Partien.
Dann unternahm er Abstecher ins Schauspielfach, spielte etwa als Jedermann im Berliner Dom. Später gab es auch Ausflüge an das Regiepult verschiedener Opernhäuser, vor zehn Jahren inszenierte er "Eine Nacht in Venedig" am Originalschauplatz.
Solche Auftritte sind für Kollo kein Tabu. René Viktor Kollodzieyski, wie er bürgerlich heißt, hat den Hang zur leichten Muse wohl seinen großen Vorfahren Willi und Walter Kollo zu verdanken. Der Spross einer Operettendynastie ist dem Familienerbe treu geblieben. Ausgerechnet auf dem Feld seiner Vorfahren verlor Kollo aber eine Schlacht, als er 1997 den Intendanten-Posten des Berliner Metropol-Theaters, das als Admiralspalast wiedererstanden ist, nach endlosen Querelen mit der Kulturverwaltung um die Finanzen des traditionsreichen Operetten- und Musicalhauses in der Friedrichstraße wieder aufgeben musste.
"Es war einfach schön und aufregend", schreibt er am Ende seiner Autobiografie ("Die Kunst, das Leben und alles andere…"), in der er mit dem Kulturbetrieb abrechnet und auch an die nicht unkomplizierte Zusammenarbeit mit Karajan erinnert. Er nannte den Dirigenten einen "Machiavelli mit der Seele eines Kindes". Aber es war auch ein Karajan, der zu Beginn der von ihm kräftig geförderten Weltkarriere Kollos meinte: "Das ist der Tenor, auf den ich vierzig Jahre gewartet habe."
(Von Esteban Engel, dpa/MH)
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