Herzen brennen hinter Sängerstatuen an der Rampe

11. September 2017 - 11:36 Uhr

Frankfurt am Main (MH) – Am Ende brennt nicht nur der Scheiterhaufen für die Zigeunerin Azucena, sondern auch ein riesenhaftes Herz aus Stacheldraht. Dann fällt der Vorhang für Giuseppe Verdis "Il trovatore" an der Oper Frankfurt und mit ihm die Hoffnung, dass Regisseur David Bösch mehr zu Verdis märchenhafter Außenseiter-Oper einfallen würde als eine sensibel-pittoreske Bebilderung.

"Il trovatore"

"Il trovatore"

Das mit düster gestrichelten Videos, kindlich gemalten Filmen und tristen Baumwoll-Blumen fesselnde Bühnenbild von Patrick Bannwart, das auf jede Volte von Verdis Musik klug reagieren konnte, zeigte am Sonntagabend durchaus poetische Augenblicke. Dafür wusste Bösch weder mit der leidenschaftlichen Dreiecksgeschichte um Leonora, Manrico und Graf Luna etwas anzufangen, noch mit den ihm anvertrauten Chormassen. Ergebnis: Die vier exzellenten Sänger schmetterten ihre Arien, oratoriumsreif an der Rampe stehend, ins Halbrund, während Zigeunertrauben ihre Wohnwagen und Lunas Soldateska ihre Panzer unmotiviert auf der Bühne vor und zurück schoben. Echte psychologische Interaktion Fehlanzeige.

Dabei gäbe es so viele spannende Fragen im "Trovatore" zu verhandeln. Ob der soziale Einfluss oder angeborene Gene das Wesen des Menschen ausmachen, zum Beispiel. Oder ob Blutsbande tatsächlich stärker sind als die freundschaftlich erworbenen. Für all das interessiert sich Böschs Inszenierung nicht, die 2016 bereits im Londoner Covent Garden zu sehen war.

Als Glanzlicht des Abends betörte die aus dem statischen Regiekonzept ausbrechende südafrikanische Sopranistin Elza van den Heever, die mit lyrischen Höhengirlanden ebenso rührte, wie mit dem ersthaften Versuch, ihrer anfangs naiven, dann opferbereiten Leonora glaubhaftes psychologisches Profil zu verleihen. Leider musste sie in Hausdebütant Piero Pretti als Trovatore Manrico einen Mann lieben, der vornehmlich ins Publikum sang und sich trotz seiner überragenden Tenorstimme darstellerisch als uninspiriert erwies.

Lebendiger agierte der klangschöne Gastbariton Brian Mulligan, dem der Regisseur leider ein Bild Leonoras in die Hand drückte und ihn dann den gesamten Abend über damit allein ließ. Mit stimmlicher Wucht überwältigte die Acuzena Marianne Cornettis, zeitnah für das erkrankte Ensemblemitglied Tanja Ariane Baumgartner aus den USA eingeflogen. Viel umjubelt auch die lebendig sprühenden, musikalischen Farben, die Gastdirigent Jader Bignamini aus dem Orchestergraben zauberte, sowie seine glänzende Bewältigung der rhythmisch vertrackten Soldatenchöre und Amboss-verstärkten Zigeunergesänge. Alle Beteiligten erhielten viel Applaus, während David Bösch auch kräftige Buhs einstecken musste.

(Von Bettina Boyens)

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