Salzburger Festspiel-Intendant Sven-Eric Bechtolf: Workaholic und bekennender Konservativer

24. Juli 2015 - 09:34 Uhr

Salzburg – Als Schauspieler brillierte Sven-Eric Bechtolf 2007 und 2008 bei den Salzburger Festspielen im "Jedermann" in der Doppelrolle von "Guter Gesell" und "Teufel". Publikum und Kritik überschlugen sich damals in Lobeshymnen. Jetzt hat der bekennende Konservative für zwei Jahre die Leitung der Festspiele. Ob er dafür genauso viel Zustimmung ernten wird, ist offen.

Sven-Eric Bechtolf

Sven-Eric Bechtolf

Als Nachfolger von Alexander Pereira, der ihn 2011 als Schauspielchef der Salzburger Festspiele verpflichtet hatte, sitzt Bechtolf nun selbst auf dem Intendantenstuhl, wenn auch nur interimistisch. Denn Pereira verabschiedete sich schon nach drei Jahren aus Salzburg, um Chef der Mailänder Scala zu werden. Und der künftige Festspielleiter Markus Hinterhäuser tritt sein Amt erst zur Saison 2017 an.

Bechtolf ist wohl das, was man einen Workaholic nennt. In dieser Saison verantwortet er nicht nur die künstlerische Gesamtleitung des weltgrößten Musik- und Theaterfestivals. Er inszeniert auch Mozarts "Le nozze di Figaro" und vollendet mit dem Meisterwerk seinen Salzburger Zyklus jener drei Opern, die Mozart zusammen mit dem kongenialen Librettisten Lorenzo da Ponte geschaffen hat. Außerdem sitzt er im Regieteam von "Mackie Messer", einer von ihm ins Programm gehobenen Salzburger Experimentalfassung der "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill mit neu orchestrierten Songs. In einer konzertanten Aufführung der Original-Dreigroschenoper hat er zudem die Sprecherrolle übernommen.

"Meine Kinder sind erwachsen. Es wartet daheim selten jemand auf mich, und ich habe keine Hobbys", begründet Bechtolf in der Zeitung "Der Standard" seinen Arbeitseifer mit der ihm eigenen Schnoddrigkeit. Der 1957 in Darmstadt geborene und in Hamburg aufgewachsene Künstler hat eine steile Karriere absolviert.

Nach seiner Ausbildung am Salzburger Mozarteum reüssierte er zunächst als Schauspieler im Fernsehen ("Derrick", "Tatort") sowie auf diversen Bühnen wie dem Züricher Schauspielhaus, dem Wiener Burgtheater und dem Hamburger Thalia-Theater, wo er zudem Mitglied der Direktion war. Schon am Thalia-Theater begann er, auch als Regisseur zu arbeiten. Zum Sprechtheater gesellte sich bald die Oper. Höhepunkt seiner bisherigen Arbeit als Opernregisseur war der neue Wiener "Ring des Nibelungen". Seine Auseinandersetzung mit Wagners Opernzyklus von 2007 bis 2009 verarbeitete er auch in dem Buch "Vorabend – eine Aneignung".

Bechtolf ist ein Tausendsassa, eine schillernde, faszinierende, aber auch polarisierende Persönlichkeit. Auf Fotos gibt er sich lässig bis cool, einmal sogar in Bomberjacke. Doch der Schein trügt, denn Bechtolf ist ein bekennender, zuweilen kämpferischer Konservativer und damit das genaue Gegenteil zum Altlinken Jürgen Flimm, Pereiras Vorgänger als Festspielchef. Er wehrt sich gegen Nivellierung und Gleichmacherei ("eine Katastrophe für die Gesellschaft"), ficht für Eliten, bricht einen Stab für das gute alte Bildungsbürgertum, kämpft gegen Jugendwahn und eine übersexualisierte Gesellschaft.

Wie solle man den "Don Giovanni" in einer von allen Normen und Tabus befreiten Zeit vergegenwärtigen?, fragte Bechtolf in einem Programmheftbeitrag zu seiner Salzburger Inszenierung der Mozart-Oper von 2014. Das Stück sei doch auf eine Welt angewiesen, "die der Sexualität ihren Respekt wenigstens durch Unterdrückung erweist".

Als Regisseur gibt sich Bechtolf abgeklärt. "Ich habe keine nennenswerten politischen, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen mehr", bekennt er. Von elaborierten Regiekonzepten und dramaturgischem Überbau hält Bechtolf erklärtermaßen wenig. Seine Inszenierungen zeichnen sich aus durch handwerkliche Qualität und einen Hang zu Ironie oder gar slapstickhafter Komik, bleiben aber, so Kritiker, oft an der Oberfläche. In seinem Salzburger "Don Giovanni" mit der finalen "Höllenfahrt" des Protagonisten, tauchen leibhaftige Teufelchen auf mit roten Hörnern. Vielleicht eine Reminiszenz an seine eigenen Auftritte als "Höllenknallcharge vom Rummelplatz".

(Von Georg Etscheit, dpa/MH)

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