Frankfurt am Main (MH) – Stehende Ovationen und lautstarker Jubel für alle Beteiligten beendeten am Sonntagabend eine außergewöhnliche "Tannhäuser"-Premiere an der Oper Frankfurt. Obwohl er eine Menge Pseudobiographisches hinzuerfindet und dabei zeitlich komplexe Ebenen einzieht, gelingt es dem südafrikanischen Regisseur Matthew Wild, sein Frankfurt-Debüt in einen Triumph zu verwandeln.
Aus Tannhäuser macht er einen deutschen Schriftsteller im Stile Klaus Manns, der vor den Nazis in die USA flüchten muss. Dort schreibt er einen berühmten Roman und gewinnt den Pulitzer-Preis. Durch Venus, Alkohol und Drogen enthemmt, bekennt er sich zu seiner Homosexualität und schockt damit die Wartburggesellschaft, die Wild kurzerhand in die erzkatholische Maris Stella University in Kalifornien umfunktioniert. Elisabeth als sein größter Fan sucht nach Tannhäusers Tod Notizen seines neuen Romans und schreibt anschließend ein eigenes Werk zu seinem Gedenken.
Was verkopft klingt, funktioniert auf der Bühne dank Wilds überzeugender Personenregie hervorragend. Allein die Überfülle der szenischen Einfälle, besonders während der Ouvertüre, lenkt zu stark vom brillanten Dirigat des Frankfurter Generalmusikdirektors Thomas Guggeis ab. Konzentriert und farbenreich von Beginn an, türmt Guggeis die orgiastischen Klangmassen im turbulenten zweiten Akt zu schwindelerregender Intensität, um im Finale mit lyrischer Raffinesse und zarter Magie zu betören.
Sängerin des Abends ist Rollendebütantin Christina Nilsson als warm strahlende Elisabeth, der Marco Jentzsch in der schwierigen Titelpartie trotz seiner packend vorgetragenen Romerzählung nicht auf Augenhöhe begegnen kann. Zu Recht gefeiert wird auch die umwerfende stimmliche und sängerische Präsenz der Ensemblemitglieder Andreas Bauer Kanabas als Landgraf von Thüringen und Domen Krizaj als Wolfram von Eschenbach. Einhelligen Jubel ernten auch die raffinierte Bühne Herbert Barz-Murauers und die von Raphaela Rose entworfenen, originalgetreuen US-Kleider der verklemmten McCarthy-Ära.
Mit erkennbarer Wehmut beklatscht Frankfurt den scheidenden Chordirektor Tilman Michael, der ab Herbst an die New Yorker Metropolitan Opera berufen ist und würdigt seine herausragende Disposition von Chor und Extrachor.
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(bb/wa)
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